Ach du liebe Zeit!
Das System unserer Zeiteinteilung ist alles andere als einfach. Je genauer wir hinsehen um so mehr Abweichungen und Unregelmäßigkeiten zeigen sich. Da und dort muß korrigiert werden. Darüber hinaus halten sich viele falsche Auffassungen.
Zur Einstimmung seien exemplarisch einige Fragen gestellt:
- Wann endete das letzte Jahrtausend?
- Wann wurde Jesus Christus geboren?
- Haben alle Jahrtausende gleichviel Tage?
- Warum hat Ostern 2 Feiertage?
- Wo liegt der zusätzliche Tag im Schaltjahr?
- Wozu brauchen wir Schaltsekunden?
Wann beginnt eigentlich die Zeitrechnung? Den Ägyptern war es egal, bei den Juden mit Adam und Eva, bei den Römern mit der Gründung Roms, bei den Astrophysikern mit dem Urknall und in unserer Kultur mit Jesus.
Unsere Zeitrechnung und Jesus
Die meisten von uns haben ein falsches Millenium gefeiert. Denn - das letzte Jahrtausend endete erst zu Sylvester 2000! Warum ist das so? Nach kirchlichem Brauch leben wir im Jahr 2015 nach Christi Geburt. Nur beginnt wegen einer uns vertrackt erscheinenden Zählung das Jahr 1 nicht mit dem 1. Geburtstag des Herrn, sondern direkt mit Mariens Niederkunft im Stall von Betlehem. Daher wäre der 2000. Geburtstag des Erlösers erst am 1. Jänner 2001 zu feiern gewesen (Antwort auf Frage 1). Als Konsequenz folgt das Fehlen eines Jahres 0 in der historischen Zeitrechnung. Die uns so geläufige 0 ist erst eine spätere Erfindung.
Zum Zeitpunkt des Beginnes unserer Zeitrechnung fand das namensgebende Ereignis aber eh nicht statt. Was passierte nun an diesem 1. Jänner 1? Wahrscheinlich war es gar kein besonderer Tag. Die zeitgenössischen Chronisten haben Jesus und sein Leben leider völlig ignoriert. Die, laut Bibel von Jesus gewirkten Wunder haben offenbar keinen entsprechenden Eindruck hinterlassen. Es ist daher umstritten ob er tatsächlich gelebt hat. Der römische Abt Dionysius der Kurze machte viel später, vor etwa 1500 Jahren, den Vorschlag den Beginn der Zeitrechnung mit Christi Geburt festzulegen. Er konnte sich jedoch nur an den ungenauen und widersprüchlichen Angaben der Evangelien orientieren. Der Wiener Astronom Konradin Ferrari d´Ochieppo versuchte trotzdem jenem, bei Matthäus erwähnten Stern der Weisen ein berechenbares Himmelsereignis zuzuordnen. Er fand einen lang andauernden Gleichlauf der hellen Planeten Jupiter und Saturn mit einem Stillstand am 12. November des Jahres 7 „vor Christi Geburt“ (Antwort auf Frage 2 ?).
Zwischen jenem fernen Tag und heute fand die Gregorianische Kalenderreform statt. Diese hat aber ein Loch von 10 Tagen in die Tageszählung gerissen! Das letzte Jahrtausend begann mit dem 1.1.1001 und endete mit dem 31.12.2000 hatte somit nur 365237 Tage (Antwort auf Frage 3).
Von den Tücken der Zeiteinteilung
Die uns heute so geläufigen Zeiteinteilungen haben ganz alte Wurzeln. Der planmäßige Umgang mit Vorräten war für unsere Vorfahren eine Überlebensfrage. Wo sind sie versteckt, und wie lange reichen sie? Die Arbeitsteilung und der Produktaustausch erforderten entsprechende Koordinierung. Wo ist der Markt, wann kommen die Händler? Neben dem Ort gewinnen so Zeitdauer und Zeitpunkt eine entscheidende Bedeutung. Beides nötigt diese Gesellschaft der Menschen allgemein gültige Vereinbarungen zur Zeit zu treffen. Alle Kulturen nutzten zu diesem Zweck die drei auffälligen Perioden der Natur mit passend gestaffelter Länge:
- der Wechsel Tag/Nacht wegen der Erddrehung ergibt den Tag
- die Abfolge der Lichtgestalten des Mondes im Zuge seines Umlaufs um die Erde zeigt den Monat
- der Ablauf der Jahreszeiten durch die Umrundung der Sonne misst das Jahr.
Die jeweiligen „Erfinder“ waren vom Wunsch beseelt, einfache ganzzahlige Verhältnisse zwischen ihnen zu fixieren, damit jeder Mensch kürzere und längere Zeiträume ohne Spezialwissen selbst festlegen könne. Doch die astronomischen Verhältnisse unserer Erde kümmern sich leider nicht um menschliche Wünsche. Von einem Vollmond zum nächsten vergehen etwa 29 ½ Tage (genauer: 1 Mondmonat = 29,5306 Tage). 12 Vollmonde passen in ein Jahr, dann fehlen noch etwa 11 Tage. Ein Jahr vollendet sich in 365 und knapp ¼ Tagen (genauer: 1 Sonnenjahr = 365,2422 Tage). Der Leser beachte die genaueren Zahlenwerte! Hierin liegt nämlich die Qual der Kalendermacher begründet. Muße zu genaueren laufenden Beobachtungen war notwendig. Ein privilegierter Priesterstand bildete sich um diese Aufgabe heraus. Dieser sagte dem gemeinen Volk ab nun, wieviel es geschlagen hat. Wie können nun diese spröden Zahlenverhältnisse unter einen Hut gebracht werden? Gar nicht! Die Zeitsysteme fallen also in 2 Kategorien, und auch da muß mit Kniffen gearbeitet werden.
Mondkalender
Ein Mondkalender nimmt den Wechsel des Mondlichtes zur Grundlage. Er ist für Nomaden und Viehzüchter vorteilhaft. Er gibt ein geeignetes Zeitmaß für die Fruchtbarkeit der Tiere und das Vollmondlicht nützt den Wanderern. Der Monat beginnt mit der ersten Sichtung der Mondsichel in der Abenddämmerung, das ist der Neumond! Die meisten alten Kalender waren ursprünglich Mondkalender, so der babylonische, der jüdische und auch der römische. In religiösen und rituellen Traditionen hat sich diese Erinnerung noch erhalten. Hohe Festtage wurden nach dem Mond bestimmt. Unser Ostern leitet sich vom jüdischen Passah-Fest ab, heutzutage fällt es auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Der Eintritt des Vollmonds wird aber immer vom vorangegangenen Neumond abgeleitet. Nun ist die Beobachtung des Neumondes sehr schwierig. Auch in der klaren Luft des Orients wurde die schmale Sichel oft erst einen Abend später entdeckt. Um das Fest aber trotzdem zum richtigen Zeitpunkt abzuhalten wurde es einfach auf zwei Tage verlängert (Antwort auf Frage 4)!
Das Wort „Kalender“ kommt vom lateinischen „calare“=(aus)rufen. Mit „Kalendae“ wurde im alten Rom der erste Tag jedes Monats bezeichnet, dieser wurde von den Priestern nach der ersten Sichtung des neuen Mondes „ausgerufen“.
Der heute gebräuchliche mohammedanische Kalender ist ein reiner Mondkalender. Der Monat hat abwechselnd 29 und 30 Tage (Durchschnitt 29,5 - leider etwas zu kurz!). Das Jahr hat 12 Monate und somit 354 Tage. Zum genaueren Gleichlauf der Mondphasen mit der Tageszählung sind in 30 Jahren 11 Schaltjahre zu 355 Tagen erforderlich, damit kommen die Moslems auf 29,53055=(30*354+11)/(30*12) (vergleiche mit 29,5306, schon ganz gut!). Als Folge wandern jedoch ihre Monate durch das Sonnenjahr.
Sonnenkalender
Der Wechsel der Jahreszeiten bestimmt den Lebenszyklus der Pflanzen. Aussaat, Reife und Ernte sind die Fixpunkte der Ackerbauern. Hier wird nun der jährliche Sonnengang zum entscheidenden Element. Wann ist nun Jahresbeginn?
Meist war es der Frühlingsbeginn. Bei den Hebräern war er bestimmt durch das Reifen der Gerste, die Römer legten ihn auf den 1. März. Unser heutiger Sonnenkalender stammt aus der römischen Tradition. Das alte römische Jahr bestand aus 10 Monaten, danach folgte eine namenslose Winterlücke. Später wurden Januar und Februar in diese Lücke gefügt. Die Monate waren 31, 29 und 28 Tage lang, dazu kamen unübersichtlich angeordnete Schalttage. Das wachsende Weltreich erforderte eine klare Regelung. Diese erfolgte durch Cäsar, er diktierte die Regeln des „julianischen Kalenders“:
- das Gemeinjahr hat 365 Tage
- das Jahr beginnt mit dem 1. Januar
- Jedes 4. Jahr enthält einen Schalttag
In einem Schaltjahr ist aber nicht der 29. Februar der Schalttag, sondern der Tag nach dem 24.! Das wurde ebenfalls von Cäsar festgelegt, er wollte damit die bereits auf den Märzbeginn ausgerichteten Festtagsbezeichnungen Ende Februar unverändert lassen (Antwort auf Frage 5).
Der Sonnenkalender soll nun seine Jahreslänge dem Sonnenjahr anpassen. Das julianische Jahr hat durchschnittlich (4*365+1)/4=365,25 Tage und ist damit gegenüber 365,2422 um 0,0078 Tage oder etwa 11 Minuten zu lang angesetzt. Am Beginn der Neuzeit lief der Sonnenstand bereits 10 Tage vor dem Kalenderstand einher. Papst Gregor XIII machte nun mit der überfälligen Reform Ernst. Seine Regeln:
- auf den 4.Oktober 1582 folgte gleich der 15.Oktober
- in 400 Jahren werden 3 Schalttage ausgelassen (in allen vollen Jahrhunderten die nicht durch 400 teilbar sind), also in 400 Jahren 3 Tage kürzer gegenüber dem julianische Jahr
Das gregorianische Jahr hat jetzt durchschnittlich (400*365,25-3)/400=365,2425 Tage und ist damit gegenüber 365,2422 nur noch um etwa 26 Sekunden zu lang. Der Fehler wird sich in etwa 3000 Jahren auf einen Tag aufsummieren. Der Gregorianische Kalender hat sich in Europa nur langsam durchgesetzt. Speziell protestantische Länder wehrten sich gegen die als katholisches Diktat aufgefasste Reform.
Nix is Fix
Wir haben die Zeitdauer der Erddrehung, den Tag, als Maß für Mondmonat und Sonnenjahr angegeben. Den Astronomen war aus ihren genauen Beobachtungen schon länger bekannt, daß sich die Erdrotation verlangsamt. Schuld daran ist unser Mond. Die Gezeiten-Flutberge sind auf ihn ausgerichtet, die Erde dreht darunter hinweg. Beständig brandet die Flut gegen die Ufer der Kontinente und bremst so die Drehung unseres Planeten. Der Tag wird pro Jahr etwa 30 Mikrosekunden länger. Als Folge entfernt sich auch der Mond um ca. 4 Zentimeter von der Erde und wird ebenfalls langsamer. Also wird auch der Mondmonat länger! Die umgekehrte Wirkung der Erde auf den Mond hat bereits das Ende erreicht: der Mond wendet uns dauernd die gleiche Seite zu. Mittlerweile können wir mittels Atomuhren den Tag präzise messen. Und da erleben wir eine Überraschung: Die Zunahme der Tageslänge ist nicht gleichförmig. Unsere Erde bockt erkennbar unregelmäßig dahin. Masseverschiebungen im Inneren, Meeresströmungen und Änderungen im Eispanzer führen zu plötzlichen Sprüngen. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, haben die internationalen Zeitwächter die „Schaltsekunde“ erfunden (Antwort auf Frage 6). Manche Neujahrsnacht dauert dadurch um eine Sekunde länger oder kürzer.
Zeitmessung
Es gibt eine wunderbare Uhr, die wir nicht aufziehen müssen und die auch keine Batterien benötigt: unsere Sonne! Täglich läuft sie als Zeiger kostenlos und präzise über den Himmel. Wir benötigen nur geschickte Vorrichtungen um sie abzulesen: Sonnen-Uhren! In unserer Siedlung ist da ein Meister tätig, der Kunstwerke mit minutengenauer Ablesung geschaffen hat. Vielleicht lüftet er etwas den Vorhang und lässt uns in seine Werkstätte blicken.
Text: Karl Melber
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Letzte Änderung: 24.04.2024 15:54